Mittwoch, 19. November 2014

Die Universität London und das Erbe Aby Warburgs

Die neue Fassung der Warburg-Bibliographie, die ich vorhin hochgeladen habe, enthält unter anderem auch den sehr lesenswerten Beitrag von Gina Thomas aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von heute:

"Wie die Universität London mit dem Erbe Aby Warburgs umspringt. Der Prozess ist entschieden, aber ist die Gründungsidee des weltberühmten Institutes damit gerettet?" (Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 269 vom 19. November 2014, S. N 4)

Die Rede ist bei Gina Thomas auch vom "Prinzip der offenen Bibliotheksregale mit den nach Aby Warburgs eigenwilligen Vorstellungen geordneten Büchern, deren thematisches Nebeneinander den Nutzer zu frischen Assoziationen animieren soll". Das Prinzip der offenen, für alle Nutzer zugänglichen Regale gilt meines Wissens für das Londoner Warburg Institute in dem eigens für seine Zwecke errichteten Gebäude am Woburn Square von Anfang an, also seit den 1950er Jahren. In Hamburg, also vor der Übersiedlung der Bibliothek und ihrer Mitarbeiter nach London im Dezember 1933, sah das anders aus: für das Betreten der Bibliotheksmagazine war laut Benutzungsordnung eine ausdrückliche Erlaubnis erforderlich, das Arbeiten mit den Beständen direkt am Regal ein Privileg, das, soweit ersichtlich, nur wenigen gewährt wurde. Alle anderen Nutzerinnen und Nutzer der Bibliothek Warburg im 1926 eingeweihten Neubau in der Heilwigstraße 116 wurden ganz konventionell auf den Lesesaal verwiesen …

Montag, 17. November 2014

Claudia Naber

Leider sehe ich erst jetzt, dass Claudia Naber am 1. Juli 2014 im Alter von 54 Jahren gestorben ist (eine Todesanzeige findet sich hier). Was wohl aus ihrem vermutlich auch heute noch wertvollen privaten Warburg-Archiv geworden ist? Ich verdanke ihr einige wichtige Hinweise und erinnere mich an mehrere längere intensive Telefongespräche mit ihr und einen Besuch im Frühjahr 2001 in ihrer Wohnung in Berlin-Charlottenburg.

Claudia Nabers Beiträge zur "Warburg-Forschung", beginnend mit der Göttinger Magisterarbeit über "Aby Warburgs Theorie des sozialen Gedächtnisses" von 1985, sind verzeichnet in Dieter Wuttkes "Aby M. Warburg-Bibliographie" von 1998. Hervorzuheben sind die Aufsätze "Pompeji in Neu-Mexico. Aby Warburgs amerikanische Reise" (in: Freibeuter 38/1988), "'... die Fackel deutsch-jüdischer Geistigkeit weitertragen.' Der Hamburger Kreis um Ernst Cassirer und Aby Warburg (in: Die Juden in Hamburg 1590 bis 1990. Wissenschaftliche Beiträge der Universität Hamburg zur Ausstellung "Vierhundert Jahre Juden in Hamburg", Hamburg 1991) und "'Heuernte bei Gewitter': Aby Warburg 1924-1929 (in: Aby M. Warburg. "Ekstatische Nymphe ... trauernder Flußgott". Portrait eines Gelehrten. Hrsg. von Robert Galitz und Brita Reimers, Hamburg 1995); außerdem erwähnenswert ist ihre Mitherausgeberschaft des Bandes "Aby M. Warburg. Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde im Hamburger Planetarium" von 1993.

Im Editionsplan der Warburg-Studienausgabe steht Claudia Naber immer noch als Bearbeiterin der Tagesbücher Warburgs, auch wenn der Kontakt mit den Herausgebern meiner Kenntnis nach schon lange Zeit nicht mehr bestand.

Sonntag, 16. November 2014

Erwin Panofsky in Hamburg, August und September 1966

Eine gewiss eher marginale Ergänzung zu einer Frage, die in den letzten Jahren mehrfach behandelt worden ist (siehe den soeben erschienenen Aufsatz: Björn Biester, Wissenschaft und Verwaltung. Zum Aufbau der Universität Hamburg 1945 bis 1953 - das Wirken Senator Heinrich Landahls und der Hochschulreferenten Walter Clemens und Hans von Heppe. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 100 (2014) S. 103 bis 136, hier S. 121 mit Anm. 50):

Der im März 1968 verstorbene Kunsthistoriker Erwin Panofsky, nach Hitlers Machtantritt in die USA emigiert, hat nach seiner Emigration Hamburg nicht wiedergesehen, sieht man von einem nächtlichen Zwischenstopp am Hamburger Hauptbahnhof im August 1966 und einem Umsteigeaufenthalt auf dem Flughafen Fuhlsbüttel im September 1966 ab, über den die Witwe Gerda Panofsky berichtet: "Unvergesslich sind mir EPs beklemmende und starke, ihn schier überwältigende Emotionen, als er auf dem Flughafen Fuhlsbüttel zum erstenmal wieder Hamburger Boden betrat. Ich fürchtete fast, es könne ihm etwas zustoßen. Diese Minuten waren das einzige Mal, das er nach über dreißig Jahren noch einmal 'in Hamburg' war."

Gerda Panofsky, Addenda et Corrigenda zu: Erwin Panofsky, Korrespondenz 1910 bis 1968. Eine kommentierte Auswahl in fünf Banden, hrsg. von Dieter Wuttke Band V: Korrespondenz 1962 bis 1968, Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2011. In: kunsttexte.de 4/2011 (Erwin Panofsky. Die späten Jahre), hier S. 5

Am frühen Morgen des 25. August 1966 hatte der Nachtzug von Köln nach Kopenhagen, den Erwin Panofsky offenbar benutzt hat, fahrplanmäßig zwölf Minuten Aufenthalt in Hamburg: ab Köln Hauptbahnhof um 21.28 Uhr, an Hamburg Hauptbahnhof um 2.54 Uhr, Weiterfahrt von dort ab 3.06 Uhr über Lübeck und Puttgarden nach Kopenhagen, hier planmäßige Ankunft um 9.25 Uhr; die "Vogelfluglinie" von Deutschland nach Dänemark war erst 1963 eröffnet worden.

vgl. Amtliches Kursbuch Deutsche Bundesbahn. Sommer 1966. Hrsg. von der Hrsg. Kursbuchstelle der Deutschen Bundesbahn. Essen 1966 (Dank an Horst-Werner Dumjahn, Mainz, für seine Unterstützung in dieser Frage). Ein Zusteigen von Ludwig Heinrich Heydenreich in Hamburg wäre also möglich gewesen (dies gegen Gerda Panofsky, ebd., S. 4).

Zum Flug des Ehepaars Erwin und Gerda Panofsky von Stockholm nach Köln und zum Hintergrund der Reise siehe Erwin Panofsky. Korrespondenz 1962 bis 1968. Hrsg. von Dieter Wuttke. Wiesbaden 2011 (Erwin Panofsky. Korrespondenz 1910 bis 1968, Bd. 5), Nr. 3293 mit Anm. 4.