Mittwoch, 21. Januar 2015

Warburgs Exlibris. Ein Beitrag von Stephan Grotz

Vorbemerkung Björn Biester (bjoern.biester@gmail.com): Der nachfolgende Beitrag von Stephan Grotz (Regensburg) ist der erste "Gastbeitrag", der hier veröffentlicht wird. Die einschlägige Sammlung von Publikationen aus dem Warburg-Kreis (darunter eine Reihe von Widmungsexemplaren), die Stephan Grotz in den vergangenen Jahren aufgebaut hat, wird stichwortartig beschrieben in der Aby M. Warburg-Bibliographie 1996 bis 2005. Baden-Baden: Valentin Koerner, 2007, S. 222.

1912 ließ Warburg nach seinen Entwürfen das berühmte Buchzeichen für seine Bibliothek herstellen. Angefertigt wurde es von der schwedischen Druckerei Almqvist und Wiksell. Laut Michael Diers' Studie über Warburgs Briefkopierbücher ("Warburg aus Briefen", S. 43) gab Warburg dort mindestens zwei Varianten seines Exlibris in Auftrag: jeweils 5.000 Stück "weiß auf schwarz" beziehungsweise "weiß auf rot" (Brief vom 25. Januar 1912).

Seit längerem befinden sich die ersten Nummern von Franz Wickhoffs "Kunstgeschichtlichen Anzeigen" (Innsbruck 1905 ff.) in meinem Besitz. Sie gehörten einst Edgar Wind, an den sie über manche Umwege von der KBW gelangten. In den beiden ersten Bänden findet sich das Exlibris in orangefarbiger Ausführung (Abb. 1):



Die Vermutung liegt nahe, dass die Farbe des Buchzeichens sich auf die Farbsystematik der KBW bezieht. Dort war Orange den Zeitschriften vorbehalten (vgl. etwa Tilmann von Stockhausen, Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg, S. 77).

Vor wenigen Tagen konnte ich nun ein weiteres Exemplar mit einem Exlibris Warburgs erwerben. Zu meiner großen Überraschung ist es in violett gedruckt (Abb. 2).



Die Farbe Violett war in der KBW dem Sachgebiet "Geschichte und Kultur des Orients" vorbehalten. Das Exlibris von Abb. 2 befindet jedoch sich in folgendem Bändchen:



Warburg hat es wohl als eine der ersten Gaben der Weimarer "Gesellschaft der Bibliophilen" erhalten, deren Mitglied er seit 1906 war. Die kleine Schrift enthält einen dem Philosophiehistoriker Eduard Zeller gewidmeten Scherz von David Friedrich Strauß, doch nicht einmal andeutungsweise einen Beitrag zur Kunst und Kultur des Orients.

War also die Anbringung des violetten Exlibris in dieser Jahresgabe ein Versehen? Das Versehen eines Mitarbeiters? Laut der digitalisierten Korrespondenz im Warburg Institute hat sich Warburg jedenfalls öfters beschwert, wenn er Bücher in die Hand bekam, bei denen vergessen wurde, das Buchzeichen einzukleben (vgl. zum Beispiel den Brief vom 12. März 1922 an Mary Warburg).