Dienstag, 6. März 2012

Aby Warburg in Köln

Vor wenigen Tagen erschien im Verlag der Buchhandlung Walther König eine erweiterte und verbesserte Ausgabe des hier im vergangenen Jahr in knapper Form vorgestellten Katalogs "Die entfesselte Antike. Aby Warburg und die Geburt der Pathosformel" (24 Euro, ISBN 978-3-86335-151-9), die auch ohne einen Besuch der gerade eröffneten Warburg-Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum die Anschaffung lohnt. Neu aufgenommen wurden unter anderem instruktive Beiträge von Claudia Wedepohl (Von der "Pathosformel" zum "Gebärdensprachenatlas". Dürers Tod des Orpheus und Warburgs Arbeit an einer ausdruckstheoretisch begründeten Kulturgeschichte) und Ulrich Rehm (Spuren und Ausblendungen. Aby Warburg, sein Studienort Bonn und seine Berührungspunkte mit der Kunst in Köln).

Zwei Anmerkungen am Rande:
  1. Im Vorwort von Andreas Stolzenburg und Thomas Ketelsen bleibt ganz zu Unrecht der 1979 von Dieter Wuttke in Verbindung mit Carl Georg Heise im Verlag Valentin Koerner (Baden-Baden) vorgelegte Reader "Aby M. Warburg. Ausgewählte Schriften und Würdigungen" unerwähnt. Wuttkes "Lesebuch" hat wesentlich zur intensiveren Auseinandersetzung mit Warburgs Werk beigetragen und vielen Leserinnen und Lesern erst den Zugang zu den Originaltexten ermöglicht. Indirekt kann das auch aus dem buchhändlerischen Erfolg dieser Publikation abgeleitet werden: Der Erstausgabe folgte 1980 eine "Zweite, verbesserte und bibliographisch ergänzte Auflage". Eine dritte, bis heute lieferbare Auflage kam 1992 heraus.
  2. Das Anliegen des Katalogs (in seiner zweiten Fassung), "Aby Warburg in Köln" zu thematisieren, wirkt nicht recht plausibel. Hingewiesen wird auf Warburgs mehrfache Teilnahme am Kölner Karneval (dies könne "angesichts seines großen Interesses am Festwesen kaum mehr überraschen", so das Vorwort). Dann aber muss konstatiert werden, dass die Stadt Köln oder "Kunstwerke aus Köln" in Warburgs Schriften "keine nachhaltigen Spuren" hinterlassen haben. Unerwähnt bleibt an derselben Stelle Warburgs Teilnahme an einem Kunsthistorischen Kongress im Oktober 1894 in – Köln. Dieter Wuttke führt in seiner "Aby M. Warburg-Bibliographie 1866 bis 1995" von 1998 unter Nr. 14 den in Nürnberg erschienenen Kölner Tagungsband auf; die Teilnehmerliste nennt auch Warburg. Darüber hinaus wird der Köln-Aufenthalt im Herbst 1894 in mehreren Briefen Warburgs an seine spätere Ehefrau Mary Hertz erwähnt – diese Dokumente wären für das Thema vielleicht interessant gewesen. Am 1. Oktober 1894 scheint Warburg sogar eine katholische Messe im Kölner Dom besucht zu haben. Zitat aus einer englischsprachigen Briefzusammenfassung aus der Datenbank des Warburg Institute in London (WIA GC/9984): "he went to mass in Cologne cathedral; he is tired and dissatisfied".